Guck mal,
wer da Deutsch sprechen tut …

In Ordnung, mag sein, daß ich besonders empfindlich bin, wenn es um deutsche Sprache geht, aber ein paar Dinge muß ich mir einfach von der Seele reden.

Das war doch damals in den Siebzigern, als Kinofilme mit Bud Spencer und Terence Hill oder Louis de Funès die kinematographischen Höhepunkte bildeten und den Grundstein für eine ganz spezielle Titelsensibilität legten: „Zwei außer Rand und Band“ und „Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe“ sind noch heute Perlen der Titelkreativität und haben sich mir dauerhaft eingeprägt.

Nachdem ich das Schlaghosentrauma abgelegt und mich auf dem Weg zum echten Teenie wähnte, kam bereits der nächste Tiefschlag: Die cineastische Durststrecke im deutschen Kino bekam neue Namen: „Zwei Supernasen trumpfen auf“ – hier muß man den Titelkreativen jedoch zu Gute halten, daß ein Film ohne Schauspieler auch keinen Titel verdient hatte.

In der Mitte der achtziger Jahre bekam ich das erste Mal das Gefühl, als Zuschauer ernst genommen zu werden. Ich blieb von Titeln dieser Art verschont und freute mich auf Neuerscheinungen. Die trügerische Sicherheit wurde jedoch jäh zerstört, als die Marketingprofis – deutsche und auch amerikanische – entdeckten, daß die Anlehnung an erfolgreiche Titel suggeriere, bei dem neuen Film könne es sich wieder um ein Meisterwerk handeln. Beste Beispiele sind dabei „Look, Who's Talking“ und „Look, Who's Talking Now“ – ins Deutsche sinngemäß mit „Guck mal, wer da spricht“ übersetzt – und „Basic Instinct“ und „Fatal Attraction“ – „Eine verhängnisvolle Affäre“.

Die Erbschaft dieser beiden Filme belastet uns noch heute. Wenn ein Film eher lustig ist, muß zwangsweise ein „Guck mal, “, „ zum Knutschen“, „Völlig verrückte “ im Titel auftauchen, um auch dem letzten Zuschauer klarzumachen, daß es sich um einen komischen Film handeln soll. Die zweitklassigen Aufgüsse bekannter Themen um Sex, Gewalt und Verbrechen wurden konsequent mit allen verfügbaren Permutationen der bekannten Filme gesegnet, wobei „Fatal Instinct“ sicherlich die plumpeste Adaption ist. Immerhin ist uns „Look, Who's Basically Attracting You Fatally Now“ erspart geblieben, vermutlich jedoch allein deswegen, weil niemand eine Marktlücke für eine Komödie sah, in der Michael Douglas eine quietschfidele Wohngemeinschaft mit Sharon Stone und Glen Close betreut, die versuchen als lesbisches Paar zwei Kinder großzuziehen, während sie gleichzeitig alle Männer in ihrem Leben um die Ecke zu bringen versuchen. Wie ich das gerade niederschreibe, bin ich mir nicht mehr so sicher, daß es dieses Machwerk nie geben wird vielleicht interessiert sich ja auch SAT.1 eines Tages für diesen Stoff.

Privates Fernsehen ist ein Thema für sich. Ich habe mich bereits damit abgefunden, daß kein einziger Sender eine Serie produzieren kann, die neu ist, ohne Klischees auskommt und vielleicht auch noch einen ansprechenden Namen trägt. Aber die Frage sei erlaubt: Gibt es keine Menschen mit Ideen in diesem Land? Immerhin hat man wohl langsam realisiert, daß das einfache Abkupfern von amerikanischen Serien nicht heilsbringend ist, statt dessen glaubte man die Rettung wohl in der Bedienung von deutschen Platitüden zu finden; mich interessiert jedenfalls nicht, was ein Bayer auf Rügen macht, ob es einen Arzt gibt, dem die Frauen vertrauen oder der Bergdoktor nun in die Schwarzwaldklinik gewechselt ist. Klar, die Amis machen auch schlechte Serien – aber immerhin sind auch bahnbrechende Konzepte dabei. Man mag zu den Serien stehen wie man möchte, aber „Die Simpsons“, „Akte X“ und „Eine schrecklich nette Familie“ sind einfach originell. Kleiner Rückgriff auf die vorangegangenen Absätze zur Namensfindung von Serientiteln: Wir spielen Sesamstraße und fragen „Einer von den drei Titeln gehört nicht zu den anderen “ – hätten Sie herausgefunden, welcher es ist?

Die Franzosen – oder im Interesse klarer Vorurteile: der Franzose – ist da aus ganz anderem Holz. Nicht nur, daß sie stolz auf Ihr Land sind, sie haben sogar eine eigene Verwaltung zur Vermeidung von Anglizismen in ihrer Sprache! Da wird alles auf biegen und brechen umbenannt, was sich umbenennen läßt. Dieser Weg ist ähnlich falsch wie der deutsche.

Anglizismen haben ihre Berechtigung und insbesondere bei Filmtiteln bin ich ein Verfechter zweisprachiger Filmtitel, da ich immer wieder von Filmen im Original lese und mich dann frage, wie dieser Titel vergewaltigt wurde, um dem deutschen Markt gerecht zu werden. Und da kommen wir schon zu einem weiteren Paradebeispiel deutscher Verbalverflachung: „Hör mal, wer da hämmert“. Die Anlehnung an „Guck mal, wer da knutscht“ ist nicht nur offensichtlich, sondern auch peinlich. Das schlimmste ist jedoch, daß die Serie im Original den einprägsamen Titel „Home Improvement“ trägt, der ebenso vieldeutig wie intelligent ist. Es wäre natürlich ein leichtes gewesen ein semantisch passendes Pendant zu finden, etwa „Schöner Wohnen“. Aber da der deutsche Zuschauer ja unmündig ist, muß ihm erklärt werden, daß es sich wohl um eine Sit-Com handelt.

Aber zurück zu den Franzosen. Es ist schon verblüffend, daß sie sich um ihre Sprache sorgen. Ein französisches Reinheitsgebot der Sprache – und niemand rebelliert. Der deutsche Michel hingegen bekommt eine Rechtschreibreform vorgesetzt, die alles andere als ausgegoren ist und obendrein in keiner Weise legitimiert ist, d. h. von der Mehrheit der Bevölkerung getragen wird. Sinn und Unsinn, Kosten und Nutzen will ich hier nicht diskutieren, aber ich denke, daß es weitaus bedeutendere Themen gibt, um die man sich in diesen Tagen kümmern könnte. Auf jeden Fall hat die oktroyierte Reform eines gezeigt: Wir sind ein Volk von Lemmingen. Außer Schleswig-Holstein – frei nach Stefan Raab: „Respekt!“ – haben alle Bürger eine klassische Doppelhaltung: Rund zwei Drittel der Befragten sagen, sie wollten die Reform nicht, aber nur wenige Prozent gehen dafür vor die Tür, um sich in eine Liste einzutragen.

Noch schlimmer ist es mit den Medien. Ich will keine Texte lesen, die in der neuen Falschschreibung verfaßt sind und der BGH hat entschieden, daß die Reform lediglich für Behörden und damit deren Beamte verbindlich ist. Wunderbar, dachte ich mir, dann wird ja wohl die eine oder andere Zeitschrift nicht umfallen und mir die freie Wahl zwischen den Rechtschreibungen lassen, aber weit gefehlt. Alle Zeitschriften verkündeten zum August 1999 ganz stolz, daß sie mehr oder minder bereitwillig sich dem Diktat beugen werden und das mit z. T. abenteuerlichen Begründungen. Die einen führten die Umstellung der Nachrichtenagenturen an – wie schwer ist es, einen Text umzuformulieren? – andere beugten sich der Mehrheit. Insbesondere DER SPIEGEL hat mich nachhaltig enttäuscht. Die Artikel genügen sicherlich hohen Standards und noch wenige Wochen vor dem August 1999 hat DER SPIEGEL auf das heftigste gegen die Reform gewettert – und was machen die Herren Meinungsbilder? Sie fallen um. Rote Karte, Abmahnung, sechs, setzen.

Ich stelle immer wieder fest, daß viele meiner Landsleute Sprache als mehr oder minder lästiges Vehikel zur Artikulation betrachten. Ich für meinen Teil ergötze mich an guten Texten, verehre Goethe und seinen Faust, goutiere Artikel von guten Autoren und bewundere alle, deren aktiver und passiver Wortschatz über das übliche Maß hinaus gediehen ist. Sprache ist kein notwendiges Übel, Sprache gehört zum guten Umgang wie gutes Benehmen, eine adäquate Körperpflege und soziales Verhalten.

Vielleicht kommen ja auch die Kultusministerien eines Tages auf den Trichter, daß eine umfängliche Kenntnis der eigenen Sprache keine Option, sondern ein wesentlicher Bestandteil schulischer Ausbildung ist. Lasse ich meinen Deutschunterricht vor dem geistigen Auge Revue passieren, meine ich mich zu erinnern, daß wir in der fünften und sechsten Klasse die Grammatik in ihren Grundzügen gestreift haben. Bereits in der siebten und achten Klasse wurden dann klassische Stücke gelesen – „Kabale und Liebe“, „Wilhelm Tell“ – aber auch zeitgenössische Literatur. Sicherlich ist das nicht schlecht, aber letztere bietet je nach Roman nur bedingten Zugang zu guter Sprache. Der Gipfel waren die Ausflüge in die Nutz- und Sinnlosigkeit der Machwerke verwirrter selbsternannter Poeten. Das nannte sich dann „Konkrete Poesie“. Ich hätte lieber „Die Glocke“ oder andere Gedichte gelesen.

Zumindest aber habe ich das letzte Mal in der siebten oder achten Klasse deutsche Grammatik in Form von Satzkonstrukten gestreift. Fragt mich heute meine Brieffreundin aus Südafrika, ob eine Konstruktion korrekt ist, kann ich lediglich versuchen, meine Latein- und Deutschkenntnisse zusammenzuwerfen und mit dem Erfahrungsschatz abzugleichen. Regeln sind nicht weiter bekannt, die Benennung der Fälle, Zeiten und Konstrukte fällt mir schwer. Da stellt sich mir doch die Frage, wieso ich als muttersprachlicher Deutscher einem Ausländer nicht erklären kann, warum das eine so, das andere so genannt und geschrieben wird.

Vielleicht muß das ja auch so sein … da bleibt mir nichts, außer Goethe zu zitieren:

Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?

Ich bin der Geist, der stets verneint.

Und das mit recht, denn alles, was entsteht,

ist wert, daß es zu Grunde geht.

Drum besser wär's, daß nichts entstünde,

so ist den alles, was Ihr Sünde,

Zerstörung, kurz das Böse nennt,

mein eigentliches Element.

Guck mal, wer da total verrückt Goethe zitiert, ich glaub' mich knutscht schrecklich nett ein Elch.

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